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Vorkaufsrecht im ländlichen Bereich: „tanteo y retracto“
Bereits das römische Recht kannte das Vorkaufsrecht als ein Vorzugsrecht (lateinisch ius protimiseos), wenn Grundstücke in einem Dorf zuerst den Mitgliedern der Dorfgemeinschaft anzubieten waren. Es gab dem Berechtigten ein Recht, zeitlich vor einem Dritten vorzugsweise einen Vertrag abschließen zu können. Es setzte dabei voraus, dass ein Eigentümer verkaufen will und dass der Vorkaufsberechtigte dieselben Bedingungen zu erfüllen bereit war wie ein anderer Käufer.
Im spanischen Código Civil gibt es zwei Möglichkeiten ein Vorkaufsrecht auszuüben, die unter die Begriffe „tanteo“ und „retracto“ zusammengefasst sind. Diese Begriffe werden wie folgt definiert.
„Tanteo“: Darunter versteht man das (Vor-) Recht, eine Sache, die eine andere Person veräußern will, zu erwerben, und zwar zu dem gleichen Preis, den ein Dritter dafür zu zahlen bereit wäre.
„Retracto“: Damit ist die Möglichkeit gemeint, nach einem vollzogenen Verkauf den Vertrag anzufechten und sich an Stelle des Käufers zu positionieren. Der grundliegende Vertrag bleibt also inhaltlich erhalten, es setzt sich nur eine dritte Partei anstelle des Käufers, Art. 1521 des Código Civil (spanisches Zivilgesetzbuch) und übernimmt den bestehenden Vertrag.
Der grundlegende Unterschied zwischen tanteo und retracto besteht also eigentlich in einem „Vorher„ und „Nachher“, so dass das „tanteo“ ausgeübt werden muss, bevor das Eigentum von einem Dritten erworben wird, während das „retracto“ nach der Übertragung an einen Dritten ausgeübt wird.
Natürlich können diese Rechte auch frei vertraglich vereinbart werden, wobei das „tanteo“ dem klassischen Vorkaufsrecht entspricht. Ich schreibe bewusst „auch“ denn es gibt auch gesetzliche Vorkaufsrechte, die also für einen nicht rechtskundigen Immobilieneigentümer quasi „unsichtbar“ sind wie zB das des Mieters im Falle des Verkaufs der von ihm gemieteten Wohnung.
Mir geht es aber heute um einen wichtigen Sonderfall, und dies aus durchaus konkretem Anlass: Da die Immobilienpreise seit 2013 so exorbitant gestiegen sind verlagert sich das Interesse der Käufer immer mehr auf den ländlichen Bereich und genau dort findet sich eine wichtige gesetzliche Regelung, und zwar in der Form des „retracto“.
Gemäß Art. 1523 des Código Civil hat im ländlichen Bereich (rústico) ein Eigentümer das Recht zum „retracto“ wenn sein unmittelbar angrenzender Nachbar sein Grundstück verkauft, sofern dieses kleiner als 10.000 qm ist. Dies gilt dann nicht, wenn eine klare optische Trennung durch Bäche, Kanäle, Schluchten oder Straßen besteht.
Zusätzlich gelten weiter folgende Voraussetzungen:
- Bei dem Vertrag, der übernommen werden soll, muss sich um einen „Verkauf“ handeln, gilt also nicht bei einer Schenkung oder Erbschaft.
- Es muss sich um ein ländliches Grundstück „rústico“ handeln. Dazu ist es nicht ausreichend, dass die Immobilie im Grundbuch als „rustico“ bezeichnet wird, sondern es ist zusätzlich erforderlich, dass das Grundstück landwirtschaftlich bewirtschaftet wird bzw. dass der Käufer sein Land bereits bewirtschaftet.
- Das Recht kann nur ausgeübt werden, wenn dem ursprünglichen Käufer der Kaufpreis zurückerstattet wird sowie alle in diesem Zusammenhang von ihm getätigten Aufwendungen.
- Der „retracto“ kann nur innerhalb von neun Tagen ausgeübt werden, gerechnet von der Eintragung im Grundbuch oder, falls (noch) nicht erfolgt, sobald der Eintrittsberechtigte vom Verkauf Kenntnis erlangt hat.
Kein Zweifel, diese quasi „Verbot“, frei entscheiden zu dürfen, an wen man verkauft ist ein starker Eingriff in die Privatautonomie, aber der Tribunal Supremo (das höchste spanische Gericht) hat diese gesetzliche Regelung damit verteidigt, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, dass landwirtschaftliche Nutzflächen nicht immer weiter zerstückelte werden und dies habe Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen von Einzelpersonen, aber auch genau deshalb sei diese Regelung sehr restriktiv auszulegen, so wie oben beschrieben.
Das praktische Problem liegt bei der Kenntnisnahme über den Verkauf eines Nachbargrundstückes. an den Nachbarn, da das Gesetz ja eben nicht fordert, dass der Verkäufer seinen Nachbarn über den Verkauf informiert. So muss also ein Landwirt eigentlich alles neun Tage im Grundbuch nachschauen, ob ein Nachbar verkauft hat, vorausgesetzt, er kennt dessen Grundbuchdaten, auf die er ja aus Datenschutzgründen nicht ohne weiteres zugreifen darf.
Dr. Armin Reichmann und Bastian Pohle