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Der spanische Notar
Gedanken eines deutschen Notars um 1900: „Dadurch unterscheidet sich der Notar von allen anderen akademischen Berufen, dass wir am Wohlergehen, andere aber am Unglück und der Schlechtigkeit der Menschen interessiert sind. Der Rechtsanwalt freut sich über unübersichtliche Straßenkreuzungen, brechende Ehen, Notzucht und Mord. Der Arzt lebt von abgeschnittenen Beinen und faulenden Blinddärmen. Der Pastor hätte ohne die Sündhaftigkeit der Menschen keine Existenzberechtigung. Nur wir Notare freuen uns und verdienen am meisten, wenn alles gut geht: Wenn die Geschäfte blühen, die Felder fruchtbar sind, die Schlote rauchen. Wir wünschen, dass jeder Mensch Millionär ist; dann sind wir es auch. Wir sind von Berufs wegen Menschenfreunde.“
Diese Aussage ist über 100 Jahre alt, aber in gewisser Weise ist sie ja heute noch gültig. Das Selbstverständnis eines Notars besteht nun einmal darin, sich aus allen Konflikten herauszuhalten, alle beteiligten Parteien gleichermaßen und ausgewogen zu beraten und zu belehren (und tut damit etwas, was einem Rechtsanwalt ein Strafverfahren einbringen würde), die Erklärungen der Parteien formal entgegenzunehmen und ihnen damit „öffentlichen Glauben“ (fé pública) zu geben. Eine vor einem Notar protokollierte Urkunde kann im Übrigen auch, anders als rein privatschriftliche Urkunden, in einem öffentlichen Register eingetragen werden. Kein Zweifel also, ein Notar spielt im täglichen Wirtschaftsleben auch in 2017 eine große Rolle.
Dennoch gibt es große Unterschiede in der Tätigkeit eines Notars in Deutschland und in Spanien. Zum einen muss man darauf verweisen, dass ein spanischer Notar viel häufiger eingesetzt wird, als das in Deutschland der Fall wäre. Dies gilt beispielsweise für Vollmachten, bei denen in Spanien weit überwiegend die notarielle Form zwingend erforderlich ist. Herauszuheben ist hier die Prozessvollmacht für einen Rechtsanwalt, die in Spanien notariell protokolliert werden muss, (dies außerdem mit einem enormen Umfang), während in Deutschland ein paar Zeilen privatschriftlich unterzeichnet völlig ausreichen.
Eines muss man aber ganz klar sagen: Was die Notargebühren angeht, stellt man sich in Spanien deutlich besser als in Deutschland. Die eher beiläufige, aber durchaus gefährliche, Frage des deutschen Notars nach dem ”Geschäftswert”, beispielsweise bei einer Vollmacht, hat eine wichtige Bedeutung für sein Honorar. Eine Verkaufsvollmacht für eine Immobilie mit einem Wert von 500.000 €, die in Spanien ca. 70 € kostet, schlägt in Deutschland mit 935 € zu Buche, da lohnt sich sogar der Flug nach Spanien. Anderes Beispiel: Protokollierung eines notariellen Kaufvertrages über eine Immobilie: bei einem Kaufpreis von 500.000 € kostet der Notar in Deutschland ca. 3.500 €, in Spanien jedoch nur ca 850 € (bei allerdings deutlich geringerem Service (s.u.).
Das spanische Notariatssystem hat zwei, allerdings sehr wichtige Webfehler, die insbesondere bei Immobilientransaktionen eine ganz erhebliche, ja fundamentale, Rolle spielen. Zum einen übernehmen spanische Notare keinerlei Haftung für den Stand des Grundbuchs zum Zeitpunkt der Protokollierung (und damit auch im Zeitpunkt der Bezahlung des Kaufpreises). Mehr noch: Der Notar erklärt sogar kategorisch, dass er seine eigene Haftung ausschließt und referiert lediglich den Grundbuchstand seiner letzten Einsichtnahme im Grundbuch, die üblicherweise am Vortag stattgefunden hat (der sich aber durchaus geändert haben kann). Dies mag ein durchaus kurzer ”Risikozeitraum” sein, wer aber gerade einen erheblichen Kaufpreis bezahlt, will nicht wissen, was gestern war, sondern vielmehr sicher sein, dass genau im Moment der Protokollierung/Zahlung seit Einsichtnahme des Notars keinerlei Zwischenverfügungen, Pfändungen oder Hypotheken im Grundbuch hinzugekommen sind.
Daneben ist es außerordentlich unpraktisch, dass der Notar nicht die treuhänderische Abwicklung des Kaufpreises übernimmt, dabei wäre dies dringend erforderlich, extrem hilfreich für die Parteien und würde auch das oben beschriebene Problem lösen. Der Notar könnte den Kaufpreis entgegennehmen, die Belastungen löschen, die vormerkungsähnliche Vorlage-Eintragung (asiento de presentacion) veranlassen und erst dann, wenn er zweifelsfrei festgestellt hat, dass keinerlei Vorlasten mehr bestehen, den Kaufpreis an den Verkäufer auskehren.
Der spanische Notar übernimmt lediglich die Protokollierung des Kaufvertrages selbst, kümmert sich weder um den Vollzug der Eintragung noch um die Bezahlung der angefallenen Steuern. Hierfür muss der Käufer eine eigene Gestoría einschalten, sofern er sich nicht selbst darum kümmern will oder kann.
Zwar wird der Notar im Rahmen der Protokollierung des Kaufvertrages verschiedene Urkunden abfragen, insbesondere die Vorlage des Grundsteuerbescheinigung und des Energiezertifikates fordern, dies sind allerdings für den Kernbereich der Transaktion eher nebensächliche Dokumente.
Auf den ersten Blick mag es unverständlich klingen, weshalb ein spanischer Notar keine treuhänderische Abwicklung des Kaufpreises vornimmt; das hat seine tiefe Ursache in der Struktur des spanischen Zivilrechtes. Hier gibt es nämlich, anders als in Deutschland, kein Abstraktionsprinzip, es gilt ein strenges Kausalrecht mit der Folge, dass jedes Geschäft einen legitimen Rechtsgrund haben muss und genau der ist bei einer Geldzahlung an einen Notar für Vorgänge, die gar nicht ihn persönlich betreffen, aus dem Gesichtspunkt des spanischen Rechtes infrage gestellt. Einen Ausweg bietet da nur eine formale Hinterlegung (depósito) bei dem Notar. Dies ist allerdings ein höchst komplexer Vorgang, der wiederum durch eine eigene notarielle Urkunde konkretisiert und präzisiert werden muss.
Kaufvertragsparteien, die einen Notar aufsuchen, müssen mit absoluter Sicherheit wissen, dass der Vollzug, der von ihnen geplanten wirtschaftlichen Transaktion unter notarieller Führung und Aufsicht so abgewickelt wird, dass keinerlei rechtliche Risiken, egal welcher Art, entstehen können und sie nicht andere Drittparteien einschalten müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
Solange dies noch nicht der Fall ist, kann man hier nur wieder einmal Werbung für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes machen.