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Die Wiedergeburt des Pranger im Internet
Als im Mittelalter die Staatsgewalt noch nicht so perfekt durchorganisiert war wie heute und jedes Dorf und Stadt schon selbst für Recht und Ordnung sorgen musste, galt es, gerade bei kleineren Straftaten vor allem darum, dafür zu sorgen, dass der Übeltäter nie wieder rückfällig würde. Dafür gab es den Pranger, der ab dem 13. Jahrhundert weit verbreitet war. Meistens auf dem Marktplatz, auf dem der Täter an eine Säule angebunden oder an eine Wand angekettet wurde und gleichzeitig seine Übeltaten öffentlich gemacht wurden. Er wurde halt, wie man heute noch sagt: „ an den Pranger gestellt“. Den Pranger gab es nicht nur in Europa sondern weltweit, sogar in Südamerika und China.
Die Strafe bestand vor allem in der öffentlichen Schande, und der Zurschaustellung des Delinquenten, um ihn auf diese Weise dem Hohn und Spott (mitunter auch körperlichen Angriffen) seiner Mitmenschen auszusetzen. An den Pranger gestellt wurden aber nur Personen, die sich allenfalls eines Vergehens oder einer leichteren Straftat schuldig gemacht hatten. Dazu gehörten beispielsweise Backen zu kleiner Brötchen, Bagatelldiebstähle, Preisbetrug, Hehlerei, Kartenspiel-Betrug, Fluchen (meist als "Gotteslästerung" bezeichnet), Meineid, üble Nachrede und Beleidigungen.
Nun, derartige Praktiken sind, einige hundert Jahre her und haben eigentlich in einem modernen Strafrechtssystem keinen Platz mehr. Den Pranger gibt es nur noch in Museen, aber die Idee ist geblieben: Zwar gibt es heute keine Marktplätze im klassischen Sinne mehr, aber dafür haben wir einen sogar weltweiten virtuellen Marktplatz: natürlich das internet.
Und genau dort machen sich (wieder) nach ähnliche Formen der öffentlichen Vorführung breit. In den USA werden offiziell Listen von Sexualstraftätern mit vollem Namen, Anschrift und Foto veröffentlicht. Im Rahmen des sogenannten „Creative Sentencing“ gibt es darüber hinaus immer mehr alternative Schuldsprüche, die unter anderem auch das öffentliche Anprangern der Verurteilten vorsehen.
Auch in Mallorca muss man keineswegs ein Museum aufsuchen, um einen Pranger zu finden.
Da reicht schon ein Internetanschluss. Wer wissen will, ob man selbst, oder ein Freund oder Nachbar den Behörden Geld schuldet oder sonst wie auffällig geworden ist, braucht nur die nachstehende Webseite aufzurufen, dann unten unter „Suchtext“ (die Seite ist praktischerweise auf deutsch) den gesuchten Namen eingeben (einfach mal mit dem eigenen anfangen):
http://www.caib.es/boib/cercar.do?lang=de
und schon erhält man (oder auch nicht) eine Liste aller Verfahren, aber vor allem auch Verkehrsverstösse, Bußgelder und Pfändungen zu der gesuchten Person. Praktisch oder problematisch? Da werden die Meinungen auseinander gehen. Ich halte rein gar nichts davon, das ist ein Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers, der Staat hat genug Möglichkeiten, seine Ansprüche durchzusetzen, und: muss wirklich alles „öffentlich“ sein? Zudem, das Internet vergisst nichts, wer wird schon gern an sein Parken im Parkverbot 1998 erinnert? Eine der prominentesten Personen am Pranger war übrigens der Schriftsteller Daniel Defoe, der Autor des „Robinson Crusoe“, der 1703 in London für seine Satiren an den Pranger gestellt wurde. Seine Gedichte und Werke waren jedoch derart populär, dass das Publikum ihm Blumen zuwarf (statt Gemüse und Steine) und auf seine Gesundheit trank.