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Hat der Katasterwert als Bemessungsgrundlage für viele Steuerarten ausgedient? (Jetzt kommt der Immobilienmarkt-Referenzwert)
Der Katasterwert (valor catastral) ist die maßgebliche Bemessungsgrundlage für eine Vielzahl von Steuern. Nun mehren sich Anzeichen, dass dieser Wert zumindest teilweise ausgedient hat. Verstehen kann man das einerseits schon, denn mit einem „realen Wert“ hat er rein gar nichts zu tun, was andererseits nicht zum Nachteil des Steuerzahlers war, denn der Katasterwert liegt in aller Regel bei nur 15-40 % des tatsächlichen Marktwertes.
Die Notwendigkeit einer Neugestaltung erkannten man sicher spätestens dann, als zum Höhepunkt der Immobilienkrise in 2013/ 2014 viele Immobilien sogar unterhalb des Katasterwertes verkauft wurden und, als sei das nicht schlimm genug, danach das Finanzamt auch noch gleich eine Unterprotokollierung unterstellte und von den Parteien Steuernachzahlungen forderte. Hier ging es um die unbestimmten Rechtsbegriffe „tatsächlicher Wert“ (valor real) und „Marktwert“ (valor de mercado), deren Definitionsversuche eine Vielzahl von Gerichtsverfahren auslösten.
Nun soll also ein neuer, allgemeingültiger (und nachvollziehbarer) Referenzwert her. Die neue Bezeichnung lautet „Valor de Referencia del Mercado Inmobiliario” (Immobilienmarkt-Referenzwert). Ganz neu ist dieser Begriff nicht, er fand erstmals, aber nur als Zukunftsprojekt Erwähnung in dem Gesetz über den Staatshaushalt 2018 (Ley 6/2018 de 3 de Julio de Presupuestos Generales del Estado), das seinerseits das Gesetz über das Katasterwesen (Ley 48/2002, de 23 de diciembre, del Catastro Inmobiliario in der Neufassung vom 28.12.2019) entsprechend änderte.
Das weitere Gesetzgebungsverfahren nimmt nun so langsam Fahrt auf. In Bearbeitung ist derzeit ein Gesetzesentwurf mit dem Titel „Ley de Medidas de Prevención y Lucha contra el Fraude Fiscal“ (Gesetz über Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Steuerbetrug), der bereits vom Kabinett abgesegnet wurde und sich nun in der parlamentarischen Debatte befindet. Allein schon der Titel verheißt nichts Gutes. Ein Inkrafttreten noch innerhalb des laufenden Jahres 2021 ist jedenfalls nicht ganz unwahrscheinlich. Vieles wird davon abhängen, ob man es auch schafft, parallel die unverzichtbare Durchführungsverordnung (Reglamento) für das Gesetz auf den Weg zu bringen.
Schwierigkeiten bestehen noch insoweit, als sich verschiedene Comunidades Autónomas (CCAA) dagegen sträuben, von Madrid aus bevormundet zu werden und vor allem die Wertfestlegungen der Zentralregierung hinzunehmen; sie wollen lieber ihre eigenen Regeln aufstellen, wie etwa in Katalonien, wo man eigene Referenzwerte geschaffen hat. Grundsätzlicher Widerstand ist allerdings nicht zu erwarten, denn egal wie, hier besteht die Chance auf erhöhte Steuereinnahmen und das überlagert alle politischen Diskrepanzen, die es möglicherweise geben könnte.
Die zu erwartende Neuregelung der Bemessungsgrundlage wird sich auf eine ganze Reihe von Steuern auswirken, aber die (kleine) gute Nachricht vorab lautet: Für die jährliche Grundsteuer IBI, die Wertzuwachssteuer (plusvalía) und die Einkommensteuer IRPF bleibt weiter wie bisher der Katasterwert maßgeblich.
Ganz anders sieht es bei den nachfolgenden Steuerarten aus, bei denen sich der neue Referenzwert als Bemessungsgrundlage auswirken wird:
- Erbschaftssteuer ISD und Grunderwerbssteuer ITP: Hier wird man damit rechnen müssen, dass möglicherweise vereinbarte Kaufpreise oder Wertansätze in den Hintergrund treten und durch den Referenzwert ersetzt werden.
- Vermögenssteuer (Impuesto sobre el Patrimonio; IP): Hier ist die Hebelwirkung der neuen Bemessungsgrundlage besonders hoch. Bislang gab es drei Werte, von denen der jeweils höchste zur Anwendung kommen sollte: der Katasterwert, ein von der öffentlichen Verwaltung bereits festgestellter Wert oder der seinerzeitige Erwerbspreis. Letzterer wurde in der Praxis in aller Regel für die Berechnung der Vermögenssteuer herangezogen. Nun tritt also ein vierter Wert hinzu, eben der Immobilienmarkt-Referenzwert, der vorhersehbar deutlich höher liegen wird. Wer also in den 80-iger Jahren oder wenig später eine Immobilie erworben und seinerzeit umgerechnet weniger als 700.000 € bezahlt hatte, lag bis heute unter dem Freibetrag für die Vermögenssteuer. Dies wird sich nun ändern und viele Immobilieneigentümer werden nun auf der Basis aktueller (Markt-) Werte Vermögenssteuer bezahlen müssen. Hier sei der wichtige Hinweis erlaubt, dass jeder Steuerpflichtige selbst zu prüfen hat, ob er eine Erklärung abgeben und gleichzeitig die fällige Steuer bezahlen muss.
Wie wird nun dieser neue Referenzwert im konkreten Einzelfall berechnet? Ausgangspunkt ist zunächst ein jährlicher Bericht über den Immobilienmarkt (informe anual de mercado inmobiliario). Sobald dann die Durchführungsverordnung vorliegt, soll eine „Wertkarte“ (mapa de valores) von der Generaldirektion des Katasters erarbeitet werden, die auf den regelmäßigen Informationen der Notare zu den protokollierten Kaufpreisen beruhen wird. Damit ist schon jetzt klar, dass der neue „steuerliche Wert“ einer Immobilie sich deutlich in Richtung Marktpreis bewegen wird.
Dabei wird der Katasterbehörde die schwierige Aufgabe zugewiesen, für das ganze Land objektive Werte festzusetzen. Das soll aber nicht flächenübergreifend und landeseinheitlich geregelt werden, sondern vielmehr sollen jeweils Werte-Cluster für kleinere Gemeindegebiete oder Siedlungen eingerichtet werden, immer dort, wo eine Vergleichbarkeit und gewisse Einheitlichkeit der Immobilienpreise gegeben ist.
Einer der Ziele des Gesetzes ist es, die hohe Konfliktivität, die bislang mit den steuerlichen Wertansätzen im Immobilienbereich verbunden waren, endlich zu beenden. Man kann allerdings stark bezweifeln, ob dies gelingen wird. Es ist ja nicht der erste Versuch, objektiv und fair den steuerlichen Wert einer Immobilie für Transaktionen festzulegen. Man hat schon mal nach Vergleichswerten gesucht oder aber ganz einfach den Katasterwert verdoppelt (letzteres wurde zuletzt vom spanischen Tribunal Supremo als unzulässiger rechnerischer Ansatz zurückgewiesen).
Ob der neue Immobilienmarkt-Referenzwert also die allgemeine Akzeptanz erhöhen oder gar den Rechtsfrieden herstellen wird, kann man sicherlich bezweifeln. Steuern zahlt niemand gern, egal wie sie begründet werden.