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Hypothekenvollstreckung Rückgabe der Immobilie an die Bank gegen Erlass der Restschulden
Ein auf den ersten Blick sensationelles Urteil hatte vor einige n Jahren aufger üttelt. Mitten in der Krise machte ein Urteil aus Navarra vom 17.12.2010 vielen zahlungsunfähigen Hypothekenschuldnern Hoffnung, doch noch einen Ausweg aus der Schuldenfalle zu finden.
Das Gericht der 1. Instanz (Juzgado de Primera Instancia num. 1) aus Estella hatte am 13.11.2009 folgenden Fall zu entscheiden: Ein Schuldner konnte die Darlehensraten für die Hypothek auf seinem Eigenheim nicht mehr bezahlen. Die finanzierende Bank leitete daraufhin die Zwangsversteigerung ein. Schon im Rahmen der Hypothekenbestellung hatten die Parteien einen Schätzwert für den Fall einer Zwangsversteig erung als Mindestgebot festgesetzt, wie üblich genau den Wert, der insgesamt der Bank geschuldet wurde.
Leider fand sich bei dem Zwangsversteigerungstermin kein Bieter, so dass die Bank sich das Eigentum an dem Haus für 50 % des Schätzwertes zuschlagen ließ. Bis hier hin ist diese Geschichte allenfalls traurig, aber keineswegs außergewöhnlich oder gar gesetzeswidrig.
In diesem konkreten Fall war die Bank mit diesem Ergebnis aber keineswegs zufrieden, konnte sie auch nicht, denn sie hatte ja nach ihrer Rechnung durch die Übernahme des Eigentums an dem Haus eben nur einen Teil des noch offenen Darlehens zurückerhalten; nun wollte sie auch den Rest von dem Schuldner haben und vollstreckte in sein sonstiges Vermögen.
Das wiederum wollte sich der Schuldner nicht gefallen lassen und er legte Einspruch gegen die Fortsetzung der Vollstreckung ein. Sein Argument: Wenn die Bank zu einem früheren Zeitpunkt das Haus mit 100 bewertet habe und sie jetzt tatsächlich Eigentümerin des Hauses geworden sei, dann müsse sie genau diesen von ihr selbst festgesetzten Wert auch gegen sich gelten lassen und daher sei das Darlehen mit der Eigentumsübernahme durch die Bank vollständig zurückgezahlt und es bliebe im Ergebnis auch kein Raum für eine weitere Vollstreckung gegen den Schuldner.
Das erstinstanzliche Gericht von Estella gab dem Schuldner Recht, so wie es das schon einige Male vorher in ähnlichen Verfahren getan hatte, aber die dann eingelegten Berufungen waren in allen früheren Fällen beim Dritten Senat der Audiencia Provincial AP (etwa: Oberlandesgericht) von Navarra gelandet, wo diese Rechtsauffassung zurückgewiesen wurde, aber, wie ist halt einmal passieren kann, diesmal war überraschend der Zweite Senat zuständig, der tatsächlich völlig anders urteilte und das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die (auch) politische Dimension dieses Falles wird auch durch die Argumentation des Gerichtes deutlich.
Der Bank wird vorgeworfen, sie sei letztlich selbst an dem Wertverlust des Hauses Schuld, da letztlich das Bankensystem, der ja die klagende Bank angehörte, Schuld an der Wirtschaftskrise sei.
Dabei ist es allerdings nicht geblieben, denn zwischenzeitlich gibt es auch ein weiteres Urteil aus Barcelona, das eine ähnliche Auffassung vertritt.
Verbraucherschützer und geplagte Schuldner jubeln, allein die Vorstellung, zur Bank gehen zu können, die Schlüssel auf den Tisch zu knallen, und damit alles vergessen zu können, das wäre doch was!
Dennoch: das Urteil hält einer seriösen Analyse nicht stand:
- Zum einen, es handelte sie sich nicht um ein Urteil (sentencia), sondern um einen einfachen lediglich verfahrensleitenden Beschluss (auto); die Tragweite sollte also nicht überschätzt werden.
- Selbst wenn es bei dieser rechtlichen Bewertung bliebe, haben die Banken einen leichten Ausweg, der nicht im Interesse des Schuldners liegen dürfte: sie können nämlich auf die Hypothekenvollstreckung verzichten und erst einmal in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstrecken.
- Keine Bank wird mehr so dumm seien, sich selbst das Eigentum der Immobilie im Rahmen der Zwangsversteigerung selbst zuschlagen zu lassen; da wird sich sicherlich ein auf den ersten Blick unbeteiligter Dritter finden lassen. Selbst bei optimistischster Betrachtungsweise werden also von dem Beschluss nur verschiedene Altfälle profitieren können.
- Niemand kann Interesse daran haben, dass die Finanzierungsbereitschaft und –fähigkeit der Banken infrage gestellt wird. Und wer am Schluss die Zeche bezahlen wird sollte allen klar sein: alle diejenigen Lohn - und Rentenempfänger wie auch Sparbuchbesitzer, die ihre Gelder und Einlagen bislang sicher angelegt wähnten.
- Das Gericht hat bei seiner fast politisch zu nennenden Entscheidung auch einen wesentlichen Grundsatz der freien Marktwirtschaft vergessen. Jede Sache ist genau so viel wert, wie jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Und wenn bei dem fraglichen Zwangsversteigerungstermin niemand das Haus zu einem höheren Preis ersteigern wollte, dann beträgt dessen Wert objektiv und tatsächlich nur 50 % des Ursprun gswertes. Der Bank also kriminelles Verhalten oder finstere Machenschaften zu unterstellen ist also albern; jeder hätte das Haus zu einem höheren Wert ersteigern können, einschließlich des Schuldners oder seiner Familie. Jeder Student lernt im ersten Semester, dass nichts mehr den fairen Marktpreis widerspiegelt, als ein Erwerb in einer Zwangsversteigerung. Diese wird öffentlich angekündigt, jeder kann kommen und was immer auch der letztendlich gezahlte Ersteigerungsbetrag ist, er spiegelt den „Wert“ in diesem Moment wieder, auch wenn das der Schuldner natürlich gern anders sehen mag.
Und was bleibt nach all diesem Schlamassel? Die nicht ganz neue Erkenntnis, dass sich spanische Gerichte wenig um ständige Rechtsprechung scheren, und nach Gutdünken, persönliche Einschätzung und politischer Wetterlage entscheiden. Wiederholungen sind also möglich, aber eher unwahrscheinlich. Aber es gehört nun einmal zur menschlichen Natur , bei Krisensituationen (statt nach Lösungen Ausschau zu halten) erst einmal nac h einem Schuldigen zu suchen, den man abstrafen kann und so wurde halt Banken- bashing Mode, und immerhin, bald sind auch wieder Wahlen. Klar: Politiker und wir Bürger dürfen das, aber Gerichte? Sollten die nicht lieber die Gesetze anwenden?
Und so kam es schliesslich auch. „Poco dura la alegría en casa del pobre“ wie man auf spanisch sagt, die gleiche AP von Navarra hat nur eine Woche später in einem anderen Fall ihr Urteil revidiert und die (weitere) Vollstreckung durch eine Bank zugelassen.