Article
Die Wertzuwachssteuer (plus-valía) auf den Balearen nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes vom 26. Oktober 2021
Seit dem 09. November 2021 hat es deutliche Änderung gegeben, was die Bestimmung der Bemessungsgrundlage bei der plus-valía angeht.
Hier eine kurze Zusammenfassung der Ausgangslage:
Kaum ein Begriff in der spanischen (Rechts-) Sprache ist ebenso verbreitet wie missverstanden wie die „plus-valía“. Schon der Begriff findet sich in keinem spanischen Gesetzestext. Die korrekte gesetzliche Bezeichnung dieser Steuer lautet nämlich: “Impuesto sobre el incremento de valor de los terrenos de naturaleza urbana“ (Steuer auf den Wertzuwachs von erschlossenen Grundstücken), was zunächst einmal erklärt, weshalb man in der Praxis auf die weit griffigere Bezeichnung „plus-valía“ gekommen ist, der auch in diesem Beitrag verwendet werden soll. Die Verunsicherung rührt weiter daher, dass es in Deutschland keine vergleichbare Steuer gibt, immerhin wird (auch in Spanien) ein beim Verkauf einer Immobilie erzielter Gewinn zusätzlich über die Einkommenssteuer (Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas; IRPF) besteuert. Die „plus-valía“ ist also leider kein anderer Ausdruck für diese Einkommensteuer bei dem Verkauf einer Immobilie (19 % auf den Gewinn bei natürlichen Pesonen), sondern eine eigenständige zusätzliche Steuer.
Gegenstand der Besteuerung:
Die „plus-valía“ besteuert den Wertzuwachs bei Grund und Bodens bei Gelegenheit einer Übertragung. Erfreulich immerhin für den Steuerpflichtigen, der Wert der Aufbauten bleibt bei dieser Definition außer Betracht. Deshalb ist die plus-valía bei der Übertragung von Eigentumswohnungen eher gering.
Die Steuer fällt bei jeglicher Eigentums- oder Nutzungsübertragung eines Rechtes an einer Immobilie an, die der Grundsteuer (Impuesto sobre Bienes Inmuebles; IBI) unterliegt und zwar im Hinblick auf den seit der letzten Übertragung eingetretenen Wertzuwachs bis zu einer maximalen Frist von 20 Jahren. Plus-valía fällt auch dann an, wenn dingliche Nutzungsrechte übertragen werden (z.B. Nießbrauch, Wohnrecht) oder
bei Erbschaft oder Schenkung. Keine plus-valía fällt an bei Bestellung von Dienstbarkeiten oder Übertragungen zwischen Ehegatten.
Wem das jetzt schon kompliziert vorkommt, den kann ich nur warnen, denn es wird noch komplizierter.
Die plus-valía ist eine der wenigen Gemeindesteuern, deren Einnahmen in voller Höhe bei der Gemeinde verbleiben, und nicht in der Kasse des Zentralstaates verschwinden. Es gibt ein staatliches (Rahmen-) Gesetz (Ley Reguladora de las Haciendas Locales), das aber nur den Rahmen für das Besteuerungsverfahren (insbesondere Höchstsätze für die Berechnung) vorgibt und überlässt die konkrete Festsetzung den Gemeinden. Dies erfolgt durch eine entsprechende Steuersatzung (Ordenanza Fiscal). In dieser Satzung wird unter anderem die Bemessungsgrundlage, Koeffizient, Steuersatz, ev. Befreiungen und Reduzierungen des Steuersatzes, Gutschriften und die Fälligkeit geregelt.
Aber genau gegen diese ziemlich starre Festsetzung haben sich viele Steuerpflichtige gewehrt, weil es ja kaum sein kann, dass eine Steuer „plus valía“ genannt wird, aber nach irgendwelchen vom Gesetz festgelegten Parametern berechnet wird und damit selbst dann zu zahlen ist, wenn der Steuerpflichtige bei der Transaktion gar keinen Gewinn erzielt hat, denn die Berechnungsgrundlage der Steuer ist ja in keiner Weise mit dem „Wertzuwachs“ verknüpft, den der Steuerpflichtige erzielt.
Nach vielen Urteilen war es nun endlich soweit: mit Urteil vom 26. Oktober 2021 hat das spanische Verfassungsgericht diese Steuer in der jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt, weil sie eben die Fälle völlig außer Betracht lässt, in denen der Steuerpflichtige einen geringeren oder möglicherweise gar keinen Gewinn erzielt hat.
Das war schon ein harter Schlag für die Gemeinden, die mit dieser Steuer pro Jahr ca. 2,5 Milliarden € einnehmen. Die große Freude der Steuerzahler, die nach dem 26. Oktober Immobilientransaktionen ohne jedes entsprechende Steuerrisiko abwickeln konnten kollidierte mit dem gesteigerten Interesse der Politik, schnell eine angemessene Ersatzregelung zu schaffen, um die Einnahmelücke zu schließen. Und so war auf beiden Seiten hektische Aktivität gefragt: die einen, weil sie noch schnell „plus-valia frei“
Immobilientransaktionen abwickeln konnten und die anderen, weil sie blitzschnell eine neue gesetzliche Regelung schaffen mussten. Im Ergebnis blieb der Zeitraum der absoluten Anarchie relativ kurz, denn bereits zum 9. November trat das neue Gesetz 26/2021 in Kraft.
Sind damit alle Probleme gelöst? Keineswegs! Es beginnt schon damit, dass die neue Regelung in Form eines Gesetzesdekretes (Real Decreto-Ley) verabschiedet wurde, und damit allein von der Exekutive, also der Regierung erlassen wurde, das Parlament wurde hierzu überhaupt nicht eingeschaltet. Das hat bereits den erheblichen Protest der Experten hervorgerufen, die die Auffassung vertreten, dass eine derart einschneidende, und vor allen Dingen steuerliche Belastung der Bürger der Mitwirkung des Parlaments bedurft hätte. Kein Wunder also, dass in der Vorrede zu dem neuen Gesetzesdekret viele gewundene Formulierungen verwendet werden, um zu begründen, dass man das Parlament eigentlich gar nicht braucht. Im konkreten Fall besteht das gesamte Gesetz aus zehn Seiten wovon allein fünf nur diese Präambel enthalten, denn das Gesetz selbst besteht nur aus einem einzigen Artikel.
Wie sieht nun diese neue Regelung aus?
Geändert wurde nur die viel kritisiert Bemessungsgrundlage, wobei der bisherigen objektiven Berechnung nunmehr als weitere Option eine subjektive Berechnungsweise als Alternative hinzugefügt wird, mit der also der Steuerpflichtige anhand seines Ankaufspreises im Vergleich zum Verkaufspreises seine Bemessungsgrundlage an seinem Gewinn festmachen kann. Letztere muss er aber eigens beantragen.
Wichtig: An den konkreten Steuersätzen ändert sich nichts, die nach wie vor von den Gemeinden frei per Satzung bestimmt werden können, was durchaus Sinn macht, denn die Wertentwicklung der Immobilien in den einzelnen Gemeinden in Spanien ist ja durchaus unterschiedlich.
Diese nun doppelte Berechnungsmöglichkeit mit der Alternative einer subjektiven Berechnung der Bemessungsgrundlage ändert zum einen die bisherige Handhabung bei Immobilienverkäufen deutlich. War es bisher üblich und auch sinnvoll, dass ein Käufer die ja vorab bisher mathematisch und objektiv feststellbare Wertzuwachssteuer vom Kaufpreis einbehielt, weil im Falle der Nichtzahlung durch den steuerpflichtigen Verkäufer nachrangig die Immobilie und damit der Käufer haftet, wird dies nun nicht mehr möglich sein, weil der Verkäufer mit Recht einwenden kann dass er eine subjektive
Berechnung vorzieht, und er dann kaum bereit sein wird, dem neugierigen Käufer seinen Einstandspreis offenzulegen.
Diese neue subjektive Berechnung der Bemessungsgrundlage muss eigens beantragt werden mit dem Nachweis, dass die Bemessungsgrundlage bei der realen Berechnung des Gewinns geringer ausfällt als bei der traditionellen objektiven Berechnung. Nachweis heißt Vorlage aller Dokumente.
Und so funktioniert die neue subjektive Berechnung:
Hierzu ist zunächst aus dem seinerzeitigen Ankaufspreises und dem heutigen Verkaufspreis der Gewinn festzustellen. Z.B. Ankaufspreis 510.000 €, Verkaufspreis 550.000 €, Gewinn also 40.000 €.
Sodann ist aus dem Katasterbescheid (steht im IBI-Bescheid) der prozentuale Anteil von Grund und Boden an dem gesamten Katasterwert festzustellen. Beläuft sich also der Katasterwert auf 100.000 € und der Anteil von Grund und Boden auf 60.000 € ergibt dies 60 %.
Dieser %-Satz ist von dem erzielten Gewinn zu berechnen (60 % von 40.000 €) = 24.000 € und stellt sodann die subjektive Bemessungsgrundlage dar, auf die dann der von der jeweiligen Gemeinde per Satzung festzulegende Steuersatz zur Bestimmung der Steuerschuld herangezogen wird.
Bei der objektiven Berechnung hingegen nimmt man den Katasterwert, der mit einem Koeffizient zu multiplizieren ist, der im Gesetz, abhängig von der Haltezeit in Jahren niedergelegt ist (z.B. 0,13 bei einem Jahr und 0,45 bei einer Haltezeit von mehr als 20 Jahren).
Man sollte also den Weg einer subjektiven Berechnung nur gehen, wenn man vorher die Steuer nach objektiven Grundsätzen in Erfahrung gebracht hat, um dann zu prüfen, ob man sich mit der subjektiven Berechnung der Bemessungsgrundlage besser steht.
Komplett neu ist es übrigens, dass in allen Fällen, anders als bisher, auch bei einer Haltezeit von weniger als einem Jahr plus-valía zu bezahlen ist.
Steuerschuldner
Steuerschuldner ist bei Schenkungen der Erwerber und bei Verkaufsvorgängen der Verkäufer. Im letzteren Fall ist aber der Käufer (bzw. die Immobilie) nachrangiger Steuerschuldner.
Zahlungsfrist
Innerhalb einer Frist von 30 Tagen seit der Übertragung muss die plus-valía im Wege der „autoliquidación“ (Selbstversteuerung) gezahlt werden; es erfolgt also keine Festsetzung von Amts wegen. Die Frist verlängert sich auf sechs Monate bei einer Übertragung von Todes wegen. Eine Verjährung tritt erst nach vier Jahren ein.