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„Fahrerflucht“, ein typisch deutsches Delikt?
Diese “Fahrerflucht“ ist nach deutschem Recht ein eigenständiges Delikt, das in anderen Ländern unbekannt ist. Korrekt lautet die die Straftat, die in § 142 StGB geregelt ist “Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort” und bestraft, mit einer Freiheitsstrafe von immerhin bis zu drei Jahren, jeden “Unfallbeteiligten,… der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, …. bevor er die Feststellung seiner Person ermöglicht hat”.
Diese Regelung stammt aus den Urzeiten des Kraftfahrzeugverkehrs und wurde motiviert durch die seinerzeit noch fehlenden Kraftfahrzeugkennzeichen und die staubigen Straßen. Erst 1998 wurde eine zusätzliche Regelung eingeführt, wonach der Täter sich auch noch 24 Stunden später selbst stellen konnte, was aber nur galt, wenn nur geringer Sachschaden entstanden war (“tätige Reue” § 142 IV StGB).
Ohne auch nur im Geringsten infrage stellen zu wollen, dass Delikte jeder Art natürlich bestraft werden müssen, ist diese deutsche gesetzliche Regelung eigentlich mehr als seltsam. Warum soll ein Straftäter eigentlich zusätzlich dafür bestraft werden, wenn er sich nicht sofort der Polizei stellt? Man mag sich das einmal für andere Delikte vorstellen: die Vorstellungswelt eines jeden Straftäters geht doch gerade dahin, dass er nach Begehung der Tat eben nicht erwischt werden will. Dennoch: das deutsche Bundesverfassungsgericht hat den § 142 StGB für verfassungskonform erklärt. Weder in der Schweiz noch in Österreich gibt es vergleichbare Delikte oder Strafen. Und wie ist es in Spanien?
Ein sehr signifikantes Urteil des Tribunal Supremo (TS) des höchsten spanischen Gerichtes, (entspricht dem deutschen BGH) vom 24 September 2012 (EDJ 2012/209071) macht deutlich, dass es hier ein völlig anderes Selbstverständnis gibt, was derartige Delikte angeht. Bei dem zugrunde liegenden Fall war ein alkoholisierter Autofahrer in eine Menschenmenge hineingefahren und hatte mehrere Personen teils schwer verletzt.. Er fuhr sofort weiter und wurde erst viel später festgenommen. In erster Instanz war er wegen fahrlässiger Körperverletzung und Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung verurteilt worden, aber auch wegen unterlassener Hilfeleistung Art. 195,196 spanischen Strafgesetzbuch (código penal; CP). Von diesem letzteren Delikt wurde er in dem genannten höchstinstanzlichen Urteil aber freigesprochen. Es seien noch viele andere Personen an der Unfallstelle anwesend gewesen. so dass der Täter davon ausgehen durfte, dass schon irgendjemand anderes einen Krankenwagen rufen würde.
Dieses Urteil war Anlass einer interessanten Diskussion darüber, ob es in Spanien ein eigenständiges “Fluchtdelikt” (delito de fuga) gäbe. Dies wurde im Ergebnis eindeutig verneint. Es entspreche nicht dem gesunden Menschenverstand (sentido común), so die Analyse wörtlich, dass ein Mörder neben der Leiche warten müsse, um festgenommen zu werden. Es gäbe im código penal, CP hinreichende normierte Tatbestände, insbesondere Art. 383 CP (Widerstand gegen die Staatsgewalt), durch die ein pflichtwidriges Verhalten unter Strafe gestellt würde.
Ein weiteres Urteil des TS vom 17.06.2002 (EDJ 2002/23912) macht weiter deutlich, dass die Fahrerflucht quasi in dem Hauptdelikt enthalten sei, und dass erst dann ein zusätzlicher Straftatbestand entstehe, wenn, wie in dem dort abgeurteilten Fall geschehen, der Täter sich der Aufforderung der Polizei, anzuhalten, widersetzt habe.
Geradezu gespenstisch mutet ein Urteil des TS vom 15. März 2007 (EDJ 2007/16973) an: ein Fahrer hatte in einer Zigeunersiedlung in Andalusien ein kleines Mädchen angefahren und war weitergefahren, ohne anzuhalten. Das Mädchen starb im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen. Der Fahrer wurde “nur” wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, nicht aber wegen unterlassener Hilfeleistung, denn, so das Urteil, er hätte sich sicherlich selbst in große Gefahr von den Anwohnern begeben, wenn er angehalten hätte. Eine unterlassene Hilfeleistung läge aber dann nicht vor, wenn diese Hilfeleistung mit der Eingehung eigener Risiken verbunden wäre.
Übrigens, der Fahrer in dem eingangs geschilderten Ausgangsfall, der 19 Personen zum Teil schwer verletzte, wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt, nicht aber wegen Fahrerflucht, deswegen wird in Spanien niemand verurteilt.