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Vorzeitige Kündigung von gewerblichen Mietverträgen im spanischen Recht
Das spanische Mietrecht, das Ley de Arrendamientos Urbanos (LAU) ist mit Recht von Vermietern gefürchtet, da es den Mietern weitreichende Rechte einräumt, so zB eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren und ein gesetzliches Vorkaufsrecht.
Dabei wird oft übersehen, dass die LAU praktisch ausschließlich die Wohnraummiete eines Erstwohnsitzes regelt, also weder die Ferienvermietung noch die Vermietung eines Zweitwohnsitzes und noch viel weniger die Geschäftsraummiete umfasst. Ein guter Grund also, sich einmal mit diesem Thema zu beschäftigen.
Damit wir wissen über was wir reden: „Geschäftsraummiete“ in diesem Kontext meint Vermietung von Gewerberaum, seien dies Büros, Praxen, Ladengeschäfte, Garagen, Fabrikanlagen, Lagerhallen oder Restaurants.
Dabei sind die Unterschiede zu der klassischen Wohnraumvermietung durchaus beträchtlich:
Da das LAU im Vordergrund den sozialen Schutz von Mietern von Hauptwohnsitzen sieht, wurden Wohnmietverträge vom Gesetzgeber sehr detailliert und ausdrücklich in mehr als 20 Artikeln geregelt. Da bleiben kaum Fragen offen.
Die Vermietung von Geschäftsräumen hingegen, welche als „uso distinto de vivienda“ (Nutzung zu anderen Zwecken als Wohnung) bezeichnet wird, wurde dagegen eher beiläufig in gerade einmal sechs Artikeln abgearbeitet, mit dem Ergebnis, dass die Vermietung von Geschäftsräumen weitgehend dem freien Willen der Parteien überlassen wird.
Eine fatale Folge davon ist, dass der in LAU penibel geregelte Kündigungsschutz bei der Wohnungsmiete bei der Vermietung von Geschäftsräumen eben nicht gilt. Aber genau das, die Möglichkeit ein Mietverhältnis zu beenden, wenn es denn Not tut, ist ein wesentliches Element eines jeden Mietvertrages, denn als Mieter ist man, und das ist eine Binsenwahrheit, gewissermaßen ein Eigentümer auf Zeit, ersteres ist großartig, zweiteres kann aber in der Praxis Probleme aufwerfen.
Was passiert, wenn ein Mieter während der Laufzeit des Vertrages feststellen sollte, dass er die angemietete Sache nicht so lange wie ursprünglich vereinbart, benötigt, wenn eventuell die Geschäfte nicht so laufen wie erwartet. Kann er dann einfach aussteigen oder muss er dann bis zum Ablauf des Vertrages weiterzahlen, letzteres wäre ja eine sehr bittere Konsequenz.
In diesem Fall gibt es zwei völlig gegensätzliche Interessenlagen: Die des Mieters, der so schnell als möglich raus will und die des Vermieters, der mit regelmäßig eingehenden Mieten gerechnet hat (und rechnen durfte).
Schon der erste Blick macht klar, eine perfekte Lösung für beide Parteien gibt es nicht.
Problem bei der ganzen Sache ist es, dass das spanische Recht einer einseitigen Kündigung sehr kritisch gegenübersteht und der Vertragstreue einen hohen Stellenwert einräumt. Auch die Rechtsprechung hat immer wieder deutlich gemacht, dass eine einseitige Kündigung eines Mietvertrags unwirksam ist. Die Gültigkeit und die Erfüllung der Verträge könne nicht dem Willen nur einer der Vertragsparteien überlassen werden.
Das Tribunal Supremo (T.S.), hat ebenfalls immer wieder deutlich gemacht, dass weder der Vermieter den Mieter zwingen kann, die Räumlichkeiten vor Ablauf der vereinbarten Frist zu räumen, noch kann der Mieter den Mietvertrag beenden, indem er die Räumlichkeiten vor Ablauf der Frist zurückgibt. Beide Fälle würden Schadensersatzansprüche auslösen.
Rein praktisch bedeutet das, dass auch wenn der Mieter vorher auszieht, der Vermieter Anspruch auf alle noch ausstehenden Mieten hat.
Nun wäre es allzu zu einfach zu sagen, dass der Mieter bei seiner vorzeitigen Kündigung einfach nur gezwungen wäre, weiterzubezahlen muss, denn das ist natürlich aus der Sicht eines Mieters eine Katastrophe! Hat er denn keine Möglichkeiten, sich gegen die Weiterbezahlung zu wehren bzw. diese wenigstens abzumildern?
Hier kommen wir nun auf einen Begriff aus dem Schadensersatzrecht, der im deutschen wie im spanischen Recht viel Diskussionsstoff liefert: der „entgangene Gewinn“. Es ist ja nachvollziehbar, dass der Vermieter nur seinen tatsächlichen Schaden einfordern kann.
Konkret kann er eine Entschädigung nur für den Zeitraum verlangen, in dem die Mieträume nach der Räumung durch den Mieter ungenutzt geblieben sind, also der nachweisbare Schaden. Erfolgt eine Weitervermietung ist der Mieter nicht verpflichtet, Entschädigung zu zahlen, wenn die Immobilie zu einem identischen bzw. höheren Mietzins weitervermietet wird.
Grundsätzlich hat jeder Geschädigte, also hier der Vermieter, die Pflicht zur Schadensminderung. Er muss alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um den Schaden zu vermeiden oder zu reduzieren. Macht er das nicht, verliert er seinen Anspruch in der Höhe, den die Schäden ausmachen, die er hätte vermeiden können.
Das bedeutet konkret, dass der Vermieter sich bemühen muss, die leerstehenden Räume weiter zu vermieten.
Ob und inwieweit er dieser Verpflichtung nachgekommen ist, unterliegt einer gerichtlichen Überprüfung und kann entsprechend abgemindert werden. Das hat aber ein Risiko, denn man sollte sich besser nicht den Gefahren des richterlichen Ermessensspielraums aussetzen. Denn vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Wenn also dieses Video eine Botschaft enthalten sollte (und das hoffe ich doch sehr) dann ist es die, dass bei gewerblichen Mietverträgen unbedingt Klauseln zu einer vorzeitigen Kündigung aufgenommen werden.