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In der deutschen Sprache gibt es den schönen Begriff “Juristendeutsch”, den man verwendet wenn es um völlig unverständliche, verdrehte oder unlogische Aussagen geht. Der Begriff des “Juristenlatein” ist hingegen völlig unbekannt, bei näherer Betrachtung aber leicht nachvollziehbar. Wir Juristen haben es mit den Medizinern gemein, dass viele Fachbegriffe in lateinischer Sprache gehalten sind. Zum einen weil das römische Recht und seine Grundsätze großen Einfluss auf das heutige Recht haben und weiter fortgelten, zum anderen sicher aber auch, um dem einfachen Volk zu zeigen, dass es nicht alles verstehen kann und muss und es Leute gibt, die viel schlauer und gebildeter sind als sie. “In dubio pro reo” kennt sicherlich jeder, aber an der Stelle endet oft das Allgemeinwissen.
Das alles hat sich natürlich heute sehr geändert und man bemüht sich, nicht immer erfolgreich, um eine für jeden verständliche Sprache. In diese Richtung geht auch ein weitreichender Beschluss der 28. Hauptversammlung der lateinamerikanischen Länder vom 17. April 2016 (XVIII Asamblea de Cumbre Judicial Iberoamericana), an der insgesamt 23 Länder, natürlich auch Spanien teilnahmen. Dort wurde nämlich entschieden, dass Begriffe und Sätze in lateinischer Sprache aus allen Beschlüssen, Urteilen und Gutachten eliminiert werden müssen.
Dieser Beschluss rüttelt natürlich heftig an dem Prestige und Respekt, den sich Juristen jeglicher Couleur so gerne erhoffen. Der bange Satz eines Mandanten: ”Das verstehe ich nicht, können Sie mir das bitte einmal erklären”, gibt doch die Chance, das eigene Herrschaftswissen generös mit einfachen Menschen zu teilen, von denen vielleicht auch ein bisschen bewundert zu werden, ganz sicher aber, um auf eine sehr subtile Art deutlich zu machen, dass ein solches Spezialwissen natürlich nicht umsonst geliefert werden kann.
Ob allerdings die Eliminierung der Verwendung von Begriffen in lateinischer Sprache insoweit eine entscheidende Wendung bringen wird, darf man aber bezweifeln. Zudem handelt es sich hier wohl eher um ein spezifisches Problem der spanischen Sprache. Sicherlich schon aufgrund der sprachlichen Nähe zum Latein fällt es leichter, mit Original-Sentenzen zu arbeiten. Tatsächlich ist es so, dass schon traditionell in spanischen Urteilen eine Vielzahl von Begriffen in lateinischer Sprache verwendet werden, sicherlich nicht zuletzt in der durchaus berechtigten Hoffnung, dass aufgrund der genannten sprachlichen Nähe der Leser versteht, um was es geht. Umgekehrt werden in Deutschland eigentlich nie Begriffe in lateinischer Sprache verwendet, was aber noch lange nicht sichert, dass damit Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit erhöht werden.
Wenn man schon einmal dabei ist, sollte man sich doch besser bemühen, zu vermeiden, dass in Urteilen und Entscheidungen einfach nur Paragraphen von irgendwelchen Gesetzen zitiert werden. Dort liegt sicherlich eine weit wichtigere Quelle für die fehlende Transparenz und Verständlichkeit von Urteilen. Das ist im anglo-amerikanischen Rechtsraum deutlich besser: mangels Gesetzen muss man sich dort viel mehr Mühe geben, Sachverhalte zu erklären und zu begründen.
Dennoch wäre es nicht schlecht, wenn der zitierte Beschluss Vorbildwirkung hätte: Nun wären endlich mal die Ärzte dran: Das wäre nun wirklich ein Fortschritt, wenn ein Arzt seine Diagnose stellen müsste, ohne irgendwelche Begriffe in lateinischer Sprache zu verwenden.