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Kleine spanische Weinkunde
Um erst einmal eine mögliche Sorge zu beseitigen: Es geht in diesem Beitrag nicht um eine wissenschaftliche Betrachtung der Rechtsvorschriften über Weine in Spanien, sondern vielmehr darum, eine kleine Hilfestellung zu leisten, um die doch bisweilen schwer verständlichen Begriffe auf den Etiketten spanischer Weinflaschen (oder in der Werbung der Bodegas) besser lesen und verstehen zu können. Was aber den Geschmack angeht, das wollen wir Ihnen selbst überlassen, ob Valdepeñas (na gut), Rioja (gut) oder Ribera del Duero (sehr gut). Merkwürdigerweise vertritt der deutsche und der spanische Volksmund genau gegensätzliche Thesen: 'Sobre gustos no hay disputa' (über Geschmack kann man nicht streiten) sagt der Spanier; der Deutsche hingegen: 'Über Geschmack kann man streiten'.
Als Juristen und Rechtsanwälte blicken wir ( natürlich!) nicht erst ins Glas , sondern in das Gesetz! Und das lautet: Ley 10 de Julio 2003, núm. 24/2003 de la Viña y del vino (Gesetz 24/2003 vom 10. Juli über die Reben und den Wein; im folgenden: LVV) .
Es entspricht einer allgemeinen Übung in Spanien, dass jedem Gesetz, so auch dem LVV, eine sogenannte 'exposición de motivos' vorangestellt wird. In diesem Vorwort erläutert der Gesetzgeber die Gesetzesmaterie, die Historie, die Änderungen zu früheren Regelungen und fasst den Gesetzesinhalt kurz zusammen, was bei umfangreichen Gesetzestexten sehr hilfreich sein kann. Dennoch ist die Lektüre oft langatmig und nicht frei von stolzem Eigenlob über die nun gelungene geradezu unfassbare revolutionäre Neuregelung. Anders ist dies beim LVV. Es wird deutlich, dass die Beschäftigung mit Wein auch bei der Formulierung von Gesetzen keine trockene Materie sein muss : So wird gleich am Anfang darauf hingewiesen, daß es lange dauerte, bis sich die Gesetzgebung auch an den Weinbau heranwagte, mit der Begründung, dass '... die Rechtswissenschaft feststellte, dass der Wein eher zur Befriedigung der Sinne und der Gefühle bestimmt war'. So dauerte es bis zum 23. Februar 1890, bis in Spanien zum ersten Mal Rechtsvorschriften zum Weinanbau erlassen wurden. Aber immerhin, schon kurz zuvor mit dem Königlichen Dekret vom 21. August 1888, richtete die spanische Regierung in Paris, London und auch in Hamburg Weinhandels -Niederlassungen ein. Dies war nur der Anfang: Spanien ist heute in der Welt das Land mit der größten Weinanbaufläche (1,14 Mio. ha) und der drittgrößten Weinproduktion, jedes Jahr werden 10,5 Mio. hl Wein exportiert.
Bevor wir nun die verschiedenen Begriffe, die auf spanischen Weinetiketten abgedruckt sein können, etwas näher analysieren, hier zunächst einmal die Definition von Wein nach dem spanischen Weingesetz: 'Wein ist ein natürliches Nahrungsmittel, das ausschließlich durch die teilweise oder gänzliche Vergärung von frischen, gepressten Weintrauben oder von Weinmost hergestellt wird.' (Art. 2.2. lit. e LVV).
Man kann das spanische LVV nicht mit dem deutschen Weingesetz vergleichen, ebenso wenig wie man deutschen Wein mit spanischem Wein vergleichen kann, dennoch, wer die Systematik der deutschen Wein- Qualifikationen kennt, findet sich auch in den spanischen Begriffen leichter zu recht. Ganz besonders gilt dies für die beiden unteren Gruppen der Tafelweine oder Landweine (vinos de mesa, vinos de la tierra), und der nächsthöheren Kategorie der – „ Qualitä tsweine bestimmter Anbaugebiete “ (Vinos de calidad producidos en una región determinada). Hierzu im Einzelnen:
1. 'Vino de mesa' ist die übergreifende allgemeine Bezeichnung, die exakt der deutschen Übersetzung 'Tafelwein' entspricht. Es handelt sich um die unterste oder einfachste Kategorie von Weinen, bei der nur geringe Anforderungen an die Angabe von Jahrgang, Herkunft oder Rebsorten gemacht werden.
2. 'Vino de la tierra de ...' Hier handelt es sich um einen gehobenen Tafelwein, wobei nach dem Begriff 'Vino de la tierra ...' eine allgemeine geographische Bezeichnung angefügt werden kann. Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn die Anbauzone allemein definiert ist und in dieser Gegend gleiche Umweltbedingungen gelten. In diesen Fällen muss die Rebsorte angegeben werden, ebenso wie der Alkoholgehalt. Auch das deutsche Weinrecht kennt übrigens den Begriff des 'Tafelweins, der mit einer geografischen Angabe bezeichnet wird' (§ 7 Weingesetz).
3. 'Vinos de calidad producidos en una región determinada' (v.c.p.r.d.). Der von deutschen Weinetiketten bekannte 'QbA' (Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete) findet sich hier, allerdings etwas komplizierter, auch im spanischen Weinrecht wieder. Allerdings gibt das deutsche Weinrecht, anders als da s spanische LVV, bereits im Text des Weingesetzes die insgesamt 13 Anbaugebiete an, alphabetisch von 'Ahr' bis 'Württemberg' (§ 3 Weingesetz). Mit dieser zweiten Qualitätsstufe soll ein Wein eines bestimmten Ursprungsgebiets garantiert werden.
4. Die Weine der obigen Gruppen 2. und 3. dürfen, sofern die nachgenannten Bedingungen erfüllt sind, die folgenden zusätzlichen Bezeichnungen tragen:
a) 'Noble':mindestens 18 Monate Lagerung in einem Eichenfaß (max. 600 l) oder in der Flasche;
b) 'Añejo': mindestens 24 Monate Lagerung in einem Eichenfaß (max. 600 l) oder in der Flasche;
c) 'Viejo': mindestens 36 Monate Lagerung, zusätzliche Oxydierung durch Licht, Sauerstoff oder Hitze.
Man kann also feststellen, daß in den beiden untersten Qualitätsstufen eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der deutschen und der spanischen Einstufung besteht.
5. Über den beiden in 1. bis 3. beschriebenen Qualitätsgruppen schwebt sowohl in Deutschland wie auch in Spanien eine höchste Qualitätsgruppe, die von der Systematik allerdings nicht vergleichbar sind. Das deutsche Weinrecht hat eine dritte Stufe geschaffen, den 'Qualitätswein mit Prädikat', mit insgesamt sechs Untergruppen, aufsteigend in der Qualität: Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein. In Spanien vollzieht sich diese Qualitätsaufstufung innerhalb der v.c.p.r.d. mit den vier Untergruppen: Vinos de calidad con indicación geográfica, vinos con denominación de origen, vinos con denominación de origen calificada, vino de pagos. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass sich in Deutschland die Definition der Qualitätsweine (mit Prädikat) nach Art und Zeitpunkt der Weinlese orientiert, während das spanische Weinrecht die gesteigerte Qualität an den immer weiter eingeengten Herkunftsbezeichnungen misst:
a) 'Vinos de calidad con indicación geográfica' (Qualitätsweine mit geographischer Herkunftsbezeichnung): Hierzu gehören Weine, die aus einem bestimmten Anbaugebiet stammen (Zone, Gemarkung oder Ortschaft), hergestellt aus Trauben, die in dieser Landschaft gewachsen sind und die in gleichen Art und Weise hergestellt werden. Diese Weine müssen auf dem Etikett ausgezeichnet werden mit 'Vinos de calidad de ...' wobei danach die Angabe des Gebietes, in dem sie hergestellt werden, folgt.
b) 'Vinos con denominación de origen' (Weine mit Herkunftsbezeichnung): Neben den bereits oben genannten Eigenschaften müssen diese Weine einen 'gehobenen Ruf' (elevado prestigio) besitzen. Diese Bezeichnung darf erst dann vergeben werden, wenn diese Weine bereits für mindestens fünf Jahre der nächst niedrigeren Kategorie angehört haben (vinos de calidad con indicación geografica).
c) 'Vinos denominación de origen calificada' (Weine mit einer qualifizierten Herkunftsbezeichnung): Neben den bereits für die erstgenannten Kategorien geltenden Eigenschaften müssen die Weine von in dem Anbaugebiet ansässigen Weingütern abgefüllt und vermarktet werden. Weiter müssen mindestens 10 Jahre seit der Einstufung als 'vinos con denominación de origen' vergangen sein. Die Weine müssen regelmäßig durch ein Überwachungsorgan (consejo regulador), das ein geeignetes Kontroll - und Überwachungssystem eingerichtet hat, überprüft werden. Schließlich muß das Anbaugebiet für Weine mit dieser Bezeichnung kartographisch vermessen sein.
d) 'Vinos de pagos' (Weine mit Lagebezeichnung): Die Weine, die diese Bezeichnung tragen dürfen, müssen aus einer exakt flächenmäßig bestimmten Lage mit einem besonders günstigen Mikroklima stammen, die sich von anderen benachbarten Lagen deutlich unterscheiden muss. Die Lage muss einen bestimmten überlieferten Namen tragen, wobei die Anbaufläche gesetzlich durch die zuständige Verwaltungsbehörde festgelegt sein muss. Hier gilt ein umfassendes Qualitäts -Überwachungssystem (sistema de calidad integral), das vom Weinanba u bis zur Abfüllung und Lagerung reicht.
6. Zusätzlich zu den Bezeichnungen zu 1. bis 3. können die v.c.p.r.d., falls die Bedingungen erfüllt sind, die folgenden Bezeichnungen tragen:
'Crianza': Für Rotweine mindestens 24 Monate Lagerung (hiervon mindestens 6 Monate in Eichenholzfässern von max. 330 l), für Weißweine und Roséweine beträgt der Zeitraum 18 Monate.
'Reserva': Für Rotweine mindestens 36 Monate Lagerung (hiervon mindestens 12 Monate in Eichenholzfässern von max. 330 l), für den Restzeitraum ist Flaschenlagerung zulässig. Für Weißweine und Roséweine gilt, daß diese mindestens 24 Monate (hiervon 6 Monate in Eichenfässern von max. 330 l) gelagert sein müssen, für den Restzeitraum ist Flaschenlagerung zulässig.
'Gran Reserva': Für Rotweine mindestens 60 Monate Lagerung (hiervon 18 Monate in Eichenholzfässern von max. 330 l), für den Restzeitraum ist Flaschenlagerung zulässig. Für Weißweine und Roséweine gilt, daß diese mindestens 48 Monate (hiervon mindestens 6 Monate in Eichenholzfässern von max. 330 l) gelagert sein müssen, wobei ebenfalls für den Restzeitraum Flaschenlagerung möglich ist.
Nach so viel Text wäre nun der Zeitpunkt gekommen, eine schöne Flasche 'Gran Reserva' zu entkorken oder vielleicht einen netten 'Crianza'? Der 'Gran Reserva' müsste doch eigentlich viel besser sein, oder? An dieser Stelle aber antworten Weinkenner genau wie Juristen, wenn sie eine schwierige Rechtsfrage beantworten sollen: 'Das kommt darauf an !'