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vGA, die verdeckte Gewinnausschüttung bei spanischen Immobiliengesellschaften
Man beklagt oft mit Recht die sehr lebensferne und verschlüsselte Sprache von Medizinern, nicht zuletzt aber auch von Juristen. Ein schönes Beispiel aus meiner Berufswelt ist dafür die sogenannte “vGA”, eine Abkürzung, die zunächst einmal dem Normalbürger nicht sonderlich weiterhilft. Ich fürchte, es wird sich auch dann kein Aha-Erlebnis einstellen, wenn man erklärt, dass es sich dabei um die sogenannte “verdeckte Gewinnausschüttung” handelt. Auch mit größter Fantasie wird ein Laie kaum eine Vorstellung dafür entwickeln können, was sich hinter diesem Begriff versteckt. Immerhin man kann ahnen, dass, wenn von Gewinnen die Rede ist, quasi automatisch Begehrlichkeiten des Finanzamtes entstehen und in der Tat, genau diese Behörde ist es, die mit diesem Begriff steuerliche Verpflichtungen definiert.
Ich kann nicht versprechen, dass Sie nach der vollständigen Lektüre dieses Beitrags die gelegentlich durchaus fragwürdige Logik der Herleitung verstehen werden, aber ich will es wenigstens versuchen, aber vor allem die Verbindung dieses Begriffes zu Mallorca erklären.
Hinter allem steht die Grundüberlegung des Finanzamtes, dass zu versteuernde Einnahmen nicht zwingend nur aus Geld bestehen, wie etwa Gehalt, Pensionen oder sonstige Einkünfte, denn steuerpflichtig sind auch alle sonstigen Wohltaten, die man mit einiger Fantasie in Geld umrechnen kann. So spricht man bei Gehältern von einem “geldwerten Vorteil”, wenn neben dem Gehalt kostenlos ein Firmenwagen zur Verfügung gestellt wird, eine Dienstwohnung oder ein auch privat zu nutzendes Handy. Diese Zusatzleistungen eines Arbeitgebers werden in Euro und Cent umgerechnet und sind zu versteuern.
Etwas Ähnliches geschieht mit der oben erwähnten “verdeckten Gewinnausschüttung”, dann nämlich, wenn es um eine Gesellschaft geht. Um dies an einem konkreten Beispiel festzumachen: deutsche Staatsangehörige/Steuerpflichtige sind Gesellschafter einer spanischen Gesellschaft (meistens eine SL; entspricht der deutschen GmbH), die wiederum Eigentümer einer Immobilie ist, die von den Gesellschaftern genutzt wird.
Eine solche Konstruktion ist keineswegs außergewöhnlich; gerade zu den Zeiten der für Ausländer geltenden extrem hohen spanischen Erbschaftssteuer (also vor 2014), haben viele Erwerber von Ferienhäusern diese nicht als natürliche Personen erworben, sondern vielmehr zur Vermeidung der Erbschaftssteuer eine Gesellschaft zwischengeschaltet. Nun interessiert sich das Finanzamt überhaupt nicht für die Motivation bei privaten Dispositionen, sondern legt den gleichen Maßstab an wie bei jeder beliebigen unternehmerisch tätigen Gesellschaft. Stein des Anstoßes ist dabei der Umstand, dass die Gesellschafter (die ja eigentlich die wirtschaftlichen Eigentümer der Immobilie sind) die Immobilie der Gesellschaft kostenlos nutzen. Die Vorstellung, es sei doch absurd, wenn die wirtschaftlichen Eigentümer einer Immobilie für deren Nutzung auch noch Miete zahlen sollten, teilt der Gesetzgeber nicht. Dies ist der perfekte Moment, um aus einem Urteil des hessischen Finanzgerichts vom 14.12.2020 zu zitieren. Dort heißt es nämlich wörtlich wie folgt:
”Wenn eine Gesellschaft eine in ihren Gesellschaftsvermögen vorhandene Immobilie ihren Gesellschaftern unentgeltlich ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlässt und auf die Zahlung marktüblicher Entgelte verzichtet, führt dies bei den Gesellschaftern zu Kapitaleinkünften, denn der Gewinnverzicht der Gesellschaft beruht auf einer verhinderten Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte, die nach der insoweit maßgebenden deutschen Regelungslage geeignet ist, bei der Gesellschaft nach den auch insoweit einschlägigen Maßstäben eine verdeckte Gewinnausschüttung auszulösen”.
Die entscheidende Textstelle lautet: „… führt bei den Gesellschaftern zu Kapitaleinkünften“ und da dieseKapitaleinkünfteja nicht durch Geldzahlungen erwirtschaftet werden, liegt genau hier die verdeckte Gewinnausschüttung, vGA, und das kennt man schon von den eingangs erwähnten “geldwerten Vorteil”, den Gesellschaftern werden fiktive Einkünfte zugerechnet. Wer nun meint, es handele sich doch um eine Ferienimmobilie, die nur wenige Wochen im Jahr genutzt werde und schon von daher allenfalls für die tatsächliche Nutzungszeit eine Miete anfallen würde, der irrt sich. Es sei unerheblich, ob die Immobilie nur ein paar Wochen oder das ganze Jahr von den Gesellschaftern genutzt werde, es reiche aus, dass die Immobilie den Gesellschaftern das ganze Jahr hindurch zur Verfügung stehe, sodass der gesamte Jahresmietwert als vGA anzusetzen sei.
Ab dann ist nur noch zu klären, wie hoch denn diese „Einkünfte“ sind. Ausgangspunkt ist dabei die Kostenmiete. Wie diese zu errechnen sei, liefert das erwähnte Gerichtsurteil gleich mit: “nach dem marktüblichen Zinssatz für erste Hypotheken“. Für Spanien sind daher die durchschnittlichen Hypothekenzinsen anzusetzen und zwar berechnet auf die Anschaffungskosten der Immobilie. In dem konkreten Fall, der in dem Urteil entschieden wurde, betrug der Kaufpreis 3.500.000 €, bei angenommenen Hypothekenzinsen von 2 % p.a. belief sich die Kostenmiete auf 70.000 € p.a. Das reichte dem Gericht allerdings nicht aus. Es käme noch die Abschreibung (AfA) hinzu und ein Gewinnaufschlag, denn jede „normale“ Gesellschaft wolle ja schließlich nicht nur die Kosten rausholen, sondern vielmehr Geld verdienen.
Die so errechnete Summe sei dann „… dem persönlichen Steuersatz der Gesellschafter … „zu unterwerfen.
Das hier zitierte Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, steht aber in einer Line mit gleich mehreren Entscheidungen des BFH (Bundesfinanzhof) vom 12.06.2013. Die Hoffnung auf ein völlig anderes Ergebnis ist also gering.